Manchmal bemerkt man eine Tendenz erst in der Betrachtung ihres Gegenteils. Während wir aktuell über Krisenerscheinungen althergebrachter Wirtschaftszweige sprechen und nach Rettungsmöglichkeiten suchen, vergessen wir gelegentlich, dass wir es hier nicht mit einer punktuellen Krise, sondern mit einer grundlegenden Revolution zu tun haben. Dienstleistungen und Industrien, die sich der Notwendigkeit einer grundlegenden Ökologisierung verweigern, geraten aktuell und künftig noch stärker in Schieflage. Und die Wirtschaftsbereiche, die sich dem Schutz von Umwelt und Klima widmen, gehören schon seit Jahren zu den Gewinner:innen.
Was noch vor zwanzig Jahren als Spielwiese für alternative Außenseiter:innen belächelt wurde und sich absurderweise bis heute als überambitioniert, realitätsfern oder politisch motiviert rechtfertigen muss, ist mit Blick auf die nüchternen Zahlen eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Auf weit über 3 Millionen Beschäftigten schätzt das Umweltbundesamt die Zahl der hier beruflich Tätigen. Was übrigens erklärtermaßen eher als Untergrenze der realen „grünen“ Beschäftigung zu verstehen ist. Und es könnten nach Ansicht der wohl meisten Prognosen noch viel mehr Menschen sein, die ihren Lohn und ihr Gehalt mit dem Schutz von Umwelt und Klima verdienen, wenn die benötigten Fachkräfte denn verfügbar wären. Auch wenn man mit dem Schlagwort Fachkräftemangel äußerst sparsam umgehen sollte – in Berlin und in ganz Deutschland werden massenweise Arbeitskräfte auf allen Qualifikationsniveaus gesucht, die ihre Hände und Köpfe für den Schutz von Umwelt und Klima einsetzen.
Dabei stehen die quantitativen Auswirkungen der Ökologisierung des Arbeitsmarktes noch weit hinter den qualitativen Wirkungen an. Viel entscheidender als die Entstehung neuer Jobs im Umwelt- und Klimaschutz ist die Veränderung bestehender Tätigkeiten. Was Forscher:innen als „Greening of Jobs“ bezeichnen, ist ein grundlegender Wandel bestehender Berufe hin zu zukunftsfähigen Berufsbildern. Was früher noch ein Klempner war, der Öl- und Gasheizungen in die Keller verbaute, ist heute eine höchst klimarelevante Fachkraft, die Heizsysteme auf Basis erneuerbarer Energien verbaut. Und wer noch vor einigen Jahrzehnten fröhlich Asbest auf die Dächer Berlins geklebt hat, ist heute ansprechbar für das Begrünen von Dächern.
Mit anderen Worten: Das „Greening of Jobs“ ist längst auch in Berlin angekommen und sorgt sowohl die Entstehung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten als auch für die Veränderung bestehender Berufe.
Jobs in allen Berliner Branchen
Die für Arbeitssuchende wohl entscheidendste Pointe dieser arbeitsmarktlichen Ökologisierung liegt darin, dass es gerade keine einzelnen Branchen oder Berufe sind, die exklusiv für nachhaltiges Wirtschaften stehen. Es gibt in der Regel keine grünen Berufe oder grünen Branchen, sondern meist nur ein Mehr oder Weniger an klimafreundlichen oder eben klimaschädlichen Tätigkeiten und Produkten. Keine Branche innerhalb und außerhalb Berlins muss zwangsläufig klimaschädlich aufgestellt sein, und dementsprechend finden sich beispielsweise in der Energieversorgung die Relikte der fossilen Energiewirtschaft unmittelbar neben den Pionieren einer nachhaltigen Energieversorgung.
Ähnliches gilt für die Finanzwirtschaft, in der neben den konventionellen Dienstleistern zunehmend klima- und umweltsensible Finanzdienstleister:innen entstanden sind. Das lässt sich durch beinahe alle Wirtschaftszweige durchdeklinieren.
Damit ändert sich die Frage „Welche Branche ist denn besonders zukunftsorientiert?“ in „Welche Akteur:innen einer Branche sind denn besonders zukunftsorientiert?“.
Das bundesweite Netzwerk Grüne Arbeitswelt hat 16 Berufsfelder zusammengefasst, die in besonderer Weise auf den Schutz von Umwelt und Klima einzahlen und mit zahlreichen weiterführenden Informationen und Hinweisen zu Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten hinterlegt. Die Palette reicht dabei von der ökologischen Land- und Forstwirtschaft über technische Bereiche wie die erneuerbaren Energien, Recycling und Wasserwirtschaft bis hin zu Dienstleistungsbereichen in Finanzen oder Verwaltung. Das erleichtert insbesondere auch Jobsuchenden die Orientierung auf einem sich ständig verändernden Arbeitsmarkt, zumal das Who’s Who der Grünen Arbeitswelt auch einige Arbeitgebende in Berlin aufführt.
Fachkräfte sind in allen Berufen gefragt
Damit ist eigentlich auch schon begründet, warum es keine „grünen Berufe“ im eigentlichen Sinne geben kann. Wenn umwelt- und klimafreundliche Tätigkeiten – man spricht hier auch von „Green Skills“ – in fast allen Branchen zu finden sind, dann muss es logischerweise mehr als ein Dutzend Berufe geben, mit denen man beruflich etwas für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts tun kann.
Wenn einerseits gilt, dass man ein und dieselbe handwerkliche Ausbildung oder ein Hochschulstudium in einem klimafreundlichen und klimaschädlichen Umfeld nutzen kann, dann gilt natürlich auch umgekehrt: Es geht nicht darum, welchen Beruf man gelernt hat, sondern wo man seine beruflichen Kompetenzen einbringen kann und will.
Das liegt gar nicht so sehr daran, dass die grünen Arbeitgebenden grundsätzlich offener wären für Bewerbungen, sondern ganz einfach daran, dass das Kerngeschäft auch des umweltfreundlichsten Betriebs Berlin letztlich die professionelle Abarbeitung konkreter betrieblicher Aufgaben ist. Dementsprechend dominiert natürlich auch in einer nachhaltigen Bank die Nachfrage nach klassischen Bankkaufleuten, in nachhaltigen Handwerksbetrieben die Nachfrage nach gut ausgebildeten Handwerker:innen oder in einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Kommunikationsagentur die Nachfrage nach Kommunikationsexpert:innen.
Der grüne Arbeitsmarkt unterscheidet sich hier nicht wesentlich von klassischen Arbeitsmärkten – gesucht werden in erster Linie Fachkräfte, die ihr Handwerk verstehen. Mit anderen Worten: Gesucht wird über alle Berufsfelder hinweg Anwendungswissen.
Das ist eine gute Nachricht für all diejenigen, die sich hier ihren Platz erobern wollen, denn dementsprechend vielfältig sind die Einstiegsmöglichkeiten sowohl für junge Menschen als auch für die älteren Semester. Eine schlechte Nachricht ist das möglicherweise aber für diejenigen, die in der Berliner Nachhaltigkeitsszene ein Einsatzfeld für Überzeugungstäter:innen vermuten. Hier muss man ganz deutlich sagen: Gesinnung ersetzt keine Kompetenz oder noch deutlicher: Gesucht werden Fachkräfte und keine Nachhaltigkeitsprophet:innen.
Chancen für Fachkräfte aus aller Welt
Wo wir gerade bei guten und schlechten Nachrichten sind: Die Berliner Nachhaltigkeitsszene ist traditionell offener auch für diejenigen, die ihren Stammbaum nicht bis Karl dem Großen zurückführen können. Das liegt einerseits daran, dass der Berliner Arbeitsmarkt ohnehin weit internationaler aufgestellt ist als andere Regionen in Deutschland. Andererseits liegt die Ursache in der hohen Exportorientierung gerade der technischen Umweltunternehmen und -betriebe.
Ein erheblicher Teil der unternehmerischen Geschäfte der deutschen und Berliner Umwelttechnik läuft außerhalb der deutschen Grenzen, und damit gibt es eine ganze Reihe von Betrieben, in denen die deutsche Sprache weniger wichtiger ist als Fremdsprachenkenntnisse. Es ist nun mal kaum möglich, deutsche Umweltprodukte oder -Dienstleistungen im schönsten Berlinerisch in den europäischen Binnenmarkt oder gar nach Fernost zu verkaufen. Dementsprechend offener ist auch die Berliner Unternehmenslandschaft für fremdsprachige Zugänge.
Das gilt allerdings nicht automatisch auch für die Frage der Anerkennung ausländischer Ausbildungs- oder Studienabschlüsse. Hier tut sich das sehr stark regulierte Bildungssystem Deutschland traditionell immer etwas schwer, insbesondere dann, wenn – wie beispielsweise im öffentlichen Dienst – ein bestimmter Bildungsabschluss formale Zugangsvoraussetzung ist.
Etwas offener ist die freie Unternehmerlandschaft, aber auch hier müssen berufliche Kompetenzen in der Regel auch über entsprechende Zertifikate anerkannt sein. Tipp also für Fachkräfte ohne „biodeutsche“ Wurzeln und Bildungsbiographie: Einfach mal auf den Webseiten von IHK, HWK, AHK oder grenzüberschreitenden Unternehmerverbänden gezielt nach Arbeitgebenden suchen, die ihr Geschäft außerhalb deutscher Grenzen betreiben. Hier die Chance auf einen Einstieg auch ohne C2-Niveau und vielleicht auch ohne aufwändiges Abschlussanerkennungsverfahren noch am höchsten.
Der Einstieg in den grünen Arbeitsmarkt
Sowohl inländische als auch ausländische Fachkräfte können natürlich auch den „ordentlichen“ Weg gehen, den das deutsche Bildungssystem für den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorsieht. Das bedeutet also die oft aufwändige Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse oder der Gang durch die fast undurchschaubare Weiterbildungsszene Berlins. Sowohl von den Berliner Behörden als auch von den wirtschaftlichen Dachverbänden gibt es hier eine ganze Reihe von Hilfestellungen, angefangen von den Berliner Integrationslots:innen über die bereits erwähnten Industrie- und Handwerkskammern bis hin zu Qualifizierungsprogrammen der großen und kleinen Berliner Hochschulen.
Etwas komplizierter wird es, wenn es um gezielte Weiterbildungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz geht. Zwar hilft hier grundsätzlich die Berliner Senatsverwaltung, aber auch die hat längst den Überblick über die schier unerschöpfliche Weiterbildungslandschaft verloren. Eine gewisse Hilfe kann auch das jüngst installierte nationale Weiterbildungsportal mein NOW bieten, das sich natürlich auch nach Themen und Regionen filtern lässt und mit dessen Hilfe Sie gezielt nach Weiterbildungen im Umwelt- und Klimabereich recherchieren können.
Im Einzelfall hilft übrigens auch ein gezielter Anruf bei den einschlägigen Berufsverbänden, die die lokale Weiterbildungsszene in der Regel deutlich besser kennen als jeder andere.
UNSER TIPP
Ihre Neugier auf einen Job für den Klima- und Umweltschutz ist geweckt? Dann lesen Sie auch unseren Artikel Nachhaltiges Arbeiten vs. Arbeiten für Nachhaltigkeit: Das sind die Unterschiede.
Jobsuche in der grünen Wirtschaft Berlins
Bleibt die Frage, wie man denn nun konkret an eine Stelle kommen könnte. Hier muss man zwischen der klassischen Reaktivbewerbung auf eine Stellenausschreibung und der Erschließung des sogenannten „verdeckten“ Arbeitsmarkts unterscheiden. Im erst genannten Fall haben sich im Laufe der Jahre einige sehr gute und auf den Nachhaltigkeitssektor spezialisierte Online-Jobbörsen wie greenjobs oder GoodJobs etabliert, deren Datenbanken natürlich auch nach einzelnen Branchen und gezielt nach der Region Berlin durchsuchbar sind.
Weitere Online-Jobbörsen finden sich im Who’s Who des Netzwerk Grüne Arbeitswelt, hier in der Rubrik Medien und Messen. Da man aber damit rechnen muss, dass man in einer Bewerbung auf eine aktuell ausgeschriebene Vakanz nicht der oder die einzige Bewerber:in ist und der verdeckte Arbeitsmarkt ohnehin weitaus größer ist, macht – gerade für Berufseinsteiger:innen im grünen Bereich – der Initiativkontakt zu potenziellen Arbeitgebenden meistens mehr Sinn.
Bei der Suche nach Arbeitgebenden im Nachhaltigkeitsbereich hilft natürlich einerseits mal wieder das Who’s Who des Netzwerk Grüne Arbeitswelt, andererseits aber auch ein Blick in die Mitgliederlisten der beiden großen Nachhaltigkeitsverbände BAUM e. V. oder Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft. Diese Zusammenschlüsse sind die politischen und fachlichen Speerspitzen der Nachhaltigkeitsszene, und wenn sich Arbeitgebende hier auf eine Mitgliedschaft einlassen, dann darf man bei ihnen getrost eine gesteigerte Sensibilität für Umwelt- und Klimafragen unterstellen.
Noch ein kleiner Tipp am Rande: Wer einem potenziellen Arbeitgebenden die Angst vor einer Festanstellung nehmen will, kann auch den Vorlauf über das Angebot einer freien Mitarbeit nehmen. Das ist natürlich nur etwas für Mutige, die sich auch eine Freiberuflichkeit zutrauen. Aber Sie wären nicht die ersten, die nach einer Zeit der freien Mitarbeit letztlich doch beim Auftraggebenden in der Festanstellung gelandet sind.
In jedem Fall und natürlich auch mit Blick auf die Arbeit im Umwelt- und Klimaschutz gilt: Nur wer weiß, wonach er sucht, kann auch etwas Gescheites finden. Mit der Zielsetzung „Irgendwas mit Klima“ wird man in Berlin ungefähr so weit kommen wie mit der Vision „Irgendwas mit Menschen“ – also gar nicht.
Erster Schritt in die grünen Arbeitsmärkte ist also erst einmal die Orientierung zur Frage, was ich kann und was ich eigentlich will. Klingt trivial, ist es aber auf dem Berliner Arbeitsmarkt mit fast 1,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten durchaus nicht.
Nutzen Sie also alle digitalen und analogen Möglichkeiten, um sich mit Ihrem Zielarbeitsmarkt vertraut zu machen – ob nun über die Berufsfelder der Grünen Arbeitswelt, über die digitalen und analogen Angebote von Arbeitgebenden oder über spezifische Orientierungsangebote öffentlicher Einrichtungen und spezialisierter Berufsverbände.
Diese Orientierungspflicht wird Ihnen niemand abnehmen, und niemand wird an Ihre Tür klopfen und Sie zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Die grüne Wirtschaft Berlins wartet auf Sie, aber bewegen müssen Sie sich trotzdem.