Mentale Stärke während der Jobsuche: Tipps von HR-Expertin Rimli Das Gupta
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Die Jobsuche in Berlin kann herausfordernd sein. Trotz zahlreicher Branchen und offener Stellen erfordert der Weg zum Traumjob Geduld, klare Strategien und Motivation. Als Magnet für Talente aus aller Welt bietet Berlin zwar große Chancen, doch auch die Konkurrenz ist hoch. Um die Suche zu optimieren, sind fundierte Tipps und persönliche Erfahrungen wertvoll. Genau darüber haben wir mit Rimli Das Gupta gesprochen, die in unserem Interview ihre praxisnahen Ratschläge teilt.
Rimli Das Gupta ist erfahrene HR-Expertin und People Lead bei Mondelēz International. Geboren und aufgewachsen in Österreich, lebt sie heute in Deutschland und hat zuvor berufliche Stationen in Dänemark und Portugal durchlaufen. Ihre Leidenschaft für HR entdeckte sie bei einem Praktikum bei der UNO und vertiefte ihr Wissen anschließend bei Beiersdorf. Für Rimli zählen im Job Ehrlichkeit und persönliche Kompetenzen mehr als Perfektion – eine Erkenntnis, die sie durch ihre vielseitige Karriere bestärkt hat.
Neben ihrem Job engagiert sich Rimli im Ehrenamt, etwa bei der SWANS Initiative mit Beratungen für Frauen mit Migrationsgeschichte und beim Haydee! e. V., einem Verein für kostenlose Nachhilfe. Für sie ist Ehrenamt die ideale Möglichkeit, Netzwerke aufzubauen und Kompetenzen zu stärken – auch ein guter Tipp für Menschen, die länger ohne Job sind.
In unserem Interview teilt Rimli wertvolle Tipps zur Jobsuche und erklärt, warum Berlin eine besondere Stadt zum Arbeiten und Leben ist. Jetzt lesen!
Wie beginnt man am besten mit der Jobsuche? Haben Sie Tipps, um den Prozess effizient zu gestalten?
Zunächst einmal möchte ich folgendes gesellschaftlich etabliertes Stigma auflösen:
Arbeitslosigkeit wird oft negativ gesehen, dabei kann sie auch ein mutiger Schritt sein.
Manche Menschen beenden ihr Arbeitsverhältnis, weil das Arbeitsumfeld ungesund ist oder weil sie merken, dass sie in ihrem Job nicht weiter kommen. Andererseits können auch in einigen Fällen private Verpflichtungen wie die Pflege eines Angehörigen, wie auch der Grund dafür sein. In wieder anderen Fällen hat der Verlust des Arbeitsplatzes nichts mit der Leistung des Individuums zu tun, sondern weil das Unternehmen sparen will. Es gibt unendlich viele Gründe, warum jemand auf Arbeitssuche ist und ich möchte allen Mut machen, diesen Schritt nicht zu unterschätzen.
Grundsätzlich gilt, wenn Sie noch in Ihrem alten Job bleiben können, während Sie sich umorientieren, ist das oft eine gute Option. Es erleichtert den Übergang, gewisse Fragen zum Ende des Arbeitsverhältnisses kommen nicht auf. Und ganz wichtig: Es gibt Ihnen eine gewisse Routine. Sollte das nicht möglich sein, empfehle ich folgende vier Schritte:
1. Behandeln Sie die Jobsuche als großes Projekt: Sammeln Sie Informationen, schreiben Sie Bewerbungen, führen Sie Interviews – all das gehört zu diesem komplizierten Prozess. Eine Jobsuche ist eine große Aufgabe und sollte nicht einfach heruntergespielt werden.
2. Schaffen Sie sich Routinen: Starten Sie den Tag mit einer festen Struktur. Stehen Sie morgens auf, trinken Sie einen Kaffee, gehen Sie raus und widmen Sie sich dann der Jobsuche. Auch wenn die Jobsuche ihr Job ist, sollte sie nicht Ihren Alltag komplett einnehmen. Schaffen Sie genau wie bei der Arbeit Routinen, eine gewisse Zeit daran zu arbeiten, aber auch einen Feierabend und Wochenenden zu haben. Während man einen Job sucht, ist man sehr angespannt, weil viel Unsicherheit über die Zukunft herrscht. Daher sollten Sie auch Wege finden, wie sie sich während der Jobsuche Gutes tun – das ist auch Teil einer gesunden Routine.
3. Dokumentieren Sie Ihre Jobsuche: Behalten Sie den Überblick über Bewerbungen und Termine. Das schafft Klarheit und reduziert Stress. Der einfachste Weg ist eine handgeschriebene Liste oder ein Excel. Darin können Sie die Ansprechperson, Bewerbungsdatum, Jobtitel und andere Informationen notieren. Sollte sich dann jemand zurückmelden, haben Sie eine Übersicht, um welchen Job es sich handelt. Außerdem hilft eine solche Liste dabei zu sehen, wie viel Sie eigentlich in der Jobsuche auch schon geschafft haben.
4. Gehen Sie raus und sprechen Sie mit Menschen über Ihre Jobsuche: Kommunizieren Sie offen, dass Sie auf Jobsuche sind. Oft erfahren Sie so von Stellen, die nicht öffentlich ausgeschrieben sind, bekommen den ein oder anderen Tipp zur Bewerbung oder wertvolles Feedback.
Für viele Menschen, die längere Zeit ohne Job waren, ist der Wiedereinstieg schwierig. Was kann man tun, um motiviert zu bleiben und die Chancen zu erhöhen?
Es ist völlig normal, dass die Jobsuche anstrengend sein kann – besonders in einer Gesellschaft, in der so viel Wert auf die berufliche Identität gelegt wird. Die Jobsuche und die verbundene Unsicherheit löst viele Ängste aus. Es ist daher völlig klar, dass Sie auch schlechte Tage haben. Das dürfen Sie! Ich möchte Ihnen einfach mal an dieser Stelle meine Bewunderung aussprechen. Es ist ein starkes Zeichen von Resilienz und Durchhaltevermögen, dass Sie gerade überhaupt diesen Artikel zu lesen. Das zeigt, dass Sie dranbleiben. Seien Sie vor allem geduldig mit sich selbst. Sie geben Ihr Bestes und das darf an manchen Tagen auch etwas weniger sein als an anderen!
Sprechen Sie offen mit Menschen, die Ihre Situation verstehen – sei es in Gesprächen mit Freund:innen oder in einer Therapie.
Zunehmend mehr Menschen verstehen, wie schwierig die Jobsuche ist. Versuchen Sie daher mit diesen Menschen zu sprechen. Oft verstehen unsere Eltern uns in dieser Situation nicht, weil sie aus einer anderen Generation stammen. Lassen Sie sich davon nicht unterkriegen. Versuchen Sie über andere Kanäle und auch Freund:innen Verständnis zu bekommen.
Wichtig ist auch, Routinen beizubehalten und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Pausen und Auszeiten wie ein freies Wochenende oder Urlaub sind essenziell für die mentale Gesundheit. So bleiben Sie stabil und erhöhen beispielsweise Ihre Chance in Jobinterviews. Planen Sie diese Pausen auch als Belohnung ein. Das hält Ihre Motivation aufrecht.
Wenn man lange auf Jobsuche ist, kann die mentale Gesundheit leiden. Welche Tipps haben Sie, um eine Balance zu halten?
Holen Sie sich Hilfe – zum Beispiel durch Selbsthilfegruppen oder Kurse, die oft kostenfrei angeboten werden. Das Arbeitsamt bietet ebenfalls Unterstützung an. In solchen Gruppen können Sie sich mit anderen austauschen und sogenannte „Accountability Buddys“ finden – Menschen, die Sie motivieren und begleiten. Sprechen Sie sonst mit einem Freund oder einer Freundin, mit dem oder der Sie einen Termin ausmachen, wo Sie kurz besprechen, was Sie erreichen wollen.
Nutzen Sie außerdem die Möglichkeiten der digitalen Welt: Künstliche Intelligenz kann helfen, Bewerbungen zu verfassen oder Strategien für die Jobsuche zu entwickeln. Es gibt viele kostenfreie Tools und Vorlagen, die Ihnen den Prozess erleichtern. Wichtig ist, an dieser Stelle zu sagen, dass KI lediglich eine Unterstützung ist. Viele Systeme sind noch nicht ausgereift und machen Fehler. Verlassen Sie zu als nicht zu 100 Prozent auf die KI. Zudem gibt es auch immer mehr Youtube Videos, Podcasts oder Dokumentationen, die sich mit den Themen rund um die Jobsuche befassen. Diese Formate helfen dabei, sich nicht so einsam in der Jobsuche zu fühlen. Es ist wichtig, dass Sie sich verstanden fühlen. Probieren Sie verschiedene Formate aus!
Ein weiterer Tipp ist das Engagement in einem Ehrenamt. Ein Ehrenamt ist eine wertvolle Option, soziale Kontakte zu knüpfen, neue Fähigkeiten zu erlernen und Wertschätzung zu erfahren – all das stärkt die mentale Gesundheit.
Dabei kann jedes Ehrenamt eine Bereicherung sein – das Arbeiten mit Kindern zeigt Kreativität, das Schleppen von Kisten für ein Wohlfahrtsevent beweist Verantwortungsbewusstsein und auch das Unterstützen bei einer Website kann die technischen Fähigkeiten hervorheben.
Welche Bedeutung hat das eigene berufliche Netzwerk Ihrer Meinung nach in der Jobsuche?
Ein starkes Netzwerk ist vor allem für Wiedereinsteiger:innen, etwa nach einem Elternjahr oder langer Krankheit, ein großer Vorteil. Es ist ein guter Weg, Kontakte zu knüpfen und Jobmöglichkeiten zu entdecken. Aber auch wenn Sie noch kein Netzwerk haben, können Sie dieses Schritt für Schritt aufbauen – durch Veranstaltungen, Jobmessen oder soziale Medien. Aber bitte immer ohne Druck. Auch ohne berufliches Netzwerk kommen Sie voran.
Fangen Sie klein an: Suchen Sie sich ein Event in Ihrer Nähe für den kommenden Monat aus und tragen Sie sich das als fixen Termin ein und auch wenn Sie an dem Tag nicht wissen, wie das alles klappen sollen – machen Sie es trotzdem! Das Ungewisse verliert an Gefahr, wenn wir uns dieser stellen. Mit jedem Event wird es auch einfacher, denn Sie gewöhnen sich daran!.
Sie sind als HR-Expertin sehr erfolgreich. Was hat Ihnen in Ihrer Karriere geholfen, sich beruflich weiterzuentwickeln?
Für mich ist lebenslanges Lernen der Schlüssel. Ich war bereit, neue Dinge auszuprobieren, und bin so von der Betriebswirtschaftslehre über den Finanzbereich bis hin zu meiner Tätigkeit im HR-Bereich gekommen. In jedem Job habe ich Neues gelernt. Das hat mir dabei geholfen, Spaß an der Sache zu haben und meine Fähigkeiten auszubauen.
Mein Rat ist: Bleiben Sie offen, probieren Sie Verschiedenes aus, und seien Sie bereit, kontinuierlich zu lernen.
Ebenso wichtig sind Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit. Wenn Sie Aufgaben zuverlässig und termingerecht erledigen, bauen Sie Vertrauen auf – und Vertrauen ist die Basis für Erfolg.
Ihr Weg bringt Sie immer wieder nach Berlin. Welche Besonderheiten bietet der Berliner Jobmarkt?
Was mir besonders auffällt, ist die große Internationalität Berlins. Die Stadt bleibt dabei authentisch und bietet in zahlreichen Branchen und auf allen Jobleveln hervorragende Möglichkeiten. Ob als Kellner:in oder Manager:in – Berlin ist ein Ort, an dem Menschen mit internationalen Wurzeln willkommen sind.
Interessant ist auch, dass hier viele Jobs zu finden sind, für die man kein Deutsch sprechen muss – das ist in keiner anderen deutschen Stadt in diesem Umfang der Fall. Trotzdem rate ich allen, Deutsch zu lernen. Das eröffnet sowohl privat als auch beruflich deutlich mehr Chancen.
Was macht Berlin Ihrer Meinung nach als Stadt zum Arbeiten und Leben besonders attraktiv?
Die Diversität in Berlin ist wirklich einzigartig. Neben der kulturellen Vielfalt beeindruckt mich vor allem die große Bandbreite an beruflichen Möglichkeiten. In Berlin können Sie in der Politik arbeiten, ein eigenes Start-up gründen oder in der Gastronomie tätig sein – und gern auch alles gleichzeitig. Das macht die Stadt besonders interessant für Paare und Familien, da beide Partner:innen ihre beruflichen Träume gleichermaßen verwirklichen können.
Auch das private Leben in Berlin bietet viel: Hier können Sie sowohl eine seltene indische Tanzart lernen, als auch georgisch essen gehen – das Angebot ist einzigartig in Deutschland.