Suche

Barbara Lutz im Interview: Diversity ist ein Mehrwert für alle!

Barbara Lutz
© Barbara Lutz

Sommer 2020. Die Corona-Pandemie läuft auf Hochtouren und verlagert den Schwerpunkt vieler Unternehmen auf ein diesbezügliches Krisenmanagement. Finanzen, Personalmangel, Homeoffice – die Arbeitswelt hatte ihre klaren Herausforderungen in der Bewältigung der Krise. Gesellschaftlich aufstrebende Themen wie beispielsweise Diversity & Inclusion rückten in den Schatten der Pandemie und lösten Befürchtungen aus, nicht mehr etabliert zu werden. Grund genug für die geschäftsführende Gesellschafterin der Index Management GmbH und die Gründerin des Frauen-Karriere-Index (FKI) Barbara Lutz und ihr Team das Projekt Impact Of Diversity (IOD) ins Leben zu rufen.

Was bringt uns Diversity in der Gesellschaft? Wie bekommen wir Diversity in Unternehmen? Und wie machen wir die positive Auswirkung (Impact) von Diversity leichter verständlich? Fragen, mit denen sich der IOD auseinandersetzt und einen nachhaltigen Dialog initiiert, um diese zu beantworten. Als Plattform für einen Austausch auf Augenhöhe verbindet der IOD Initiativen, Expert:innen, Entscheider:innen aus Unternehmen sowie Vertreter:innen aus Politik und Wissenschaft. Das Ziel ist es, das Thema Diversity gesellschaftlich voranzutreiben und konkrete Schritte für Veränderungen anzustoßen. Wie dies funktionieren kann und was die Herausforderungen dabei sind, verrät Barbara Lutz in einem spannenden Interview.

Was beinhaltet das Projekt Impact of Diversity (IOD)?

Begegnung und Austausch! Mit unserer Plattform fördern wir Möglichkeiten, miteinander und voneinander zu lernen. Den Rahmen dafür bieten diverse Formate, die wir regelmäßig veranstalten.

Unser Think Tank findet beispielsweise einmal im Monat statt und schafft einen kontinuierlichen Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Hier wird sich zu konkreten Erfahrungen und Erfolgs-Cases im Bereich Diversity ausgetauscht.

Unser Mentoring hingegen verbindet zwei Menschen in einem sechsmonatigen Programm miteinander. Die Teilnehmenden können sich 1:1 austauschen und ihre Potenziale auszuschöpfen. Eine tolle Gelegenheit, sich von Top-Führungskräften, CEOs, Recruiting-Expert:innen, erfolgreichen Unternehmer:innen und Social Entrepreneur:innen inspirieren zu lassen!

Zudem haben wir dieses Jahr den Impact of Diversity Award zum zweiten Mal verliehen. Mit diesem Award zeichnen wir bemerkenswerte Diversity-Konzepte, tolle Initiativen und engagierte Persönlichkeiten in 14 Kategorien – beispielsweise „Age Inclusion“, „Contribution to LGBTIQ+“ oder „Social Inclusion“ – aus. Alle Bewerbenden bekommen eine Repräsentanz auf unserer Website und erlangen somit mehr Sichtbarkeit. Es gab so viel Resonanz. Wir waren von all dem positiven Feedback total überwältig. Die Verleihung hatte eine kraftvolle Energie. Wir haben gespürt, dass sich etwas bewegt. Ein gutes Gefühl.

Was bedeutet Diversity für dich persönlich?

Vielfalt als Mehrwert zu begreifen. Dazu gehören die Betrachtung unterschiedlicher Sichtweisen und eine anhaltende Diskussion. Diversity schafft neue Sichtweisen, rüttelt auf, gibt neue Ideen und macht diese besser umsetzbar. Zudem schult der Umgang mit Diversity, dass wir zuhören, offen sind und erst mal die Dinge auf uns zukommen lassen, bevor wir eine Meinung haben. Bereichernd auf ganzer Linie.

Wie bist du das erste Mal mit dem Thema Diversity in Berührung gekommen?

Ich habe lange Zeit für amerikanische, französische und weitere internationale Unternehmen gearbeitet und in dieser Zeit auch meine beiden Kinder zur Welt gebracht. Ob ich Mutter werden wollte oder später eine war, hat nie eine Rolle gespielt. Selbst in Vorstellungsrunden mit Headhuntern hat mich nie jemand nach meinem privaten Status gefragtbis ich in eine deutsche Firma gewechselt bin.

Ich habe für eine große deutsche Bank gearbeitet und war eine der wenigen Frauen in einer Führungsposition. Ich wurde u. a. anhaltend nach meinen Kindern gefragt, was eigentlich keine gute, sondern eine vorurteilsbehaftete Frage ist. Zudem ist mir aufgefallen, wie viele „gleiche“ Menschen dort gearbeitet haben. Es herrschte eine triste Monotonie auf der Manager-Ebene – das Gegenteil von Diversity. Diese Situation rüttelte mich wach und ich habe den Frauen-Karriere-Index (FKI) mit einer Förderung des Bundesfamilienministeriums gegründet. Zu diesem Zeitpunkt waren wir die Einzigen weltweit, die solch einen Index erstellt haben.

Was möchtest du mit dem Projekt IOD erreichen?

Ich möchte, dass Diversity normal wird, denn unsere Welt ist ja divers – sprich, Diversity ist eigentlich schon die Normalität. Wir müssen das Thema offen und transparenter wahrnehmen. Dafür können wir einen Beitrag leisten.

Wichtig ist, dass wir den Diskurs rund um Diversity zulassen und wertschätzend in beide Richtungen diskutieren. Wir möchten eine gute Diskussionskultur und ein gegenseitiges Verständnis fördern.

Wie ist der aktuelle Stand zum Thema Diversity in der Berliner Unternehmenslandschaft?

Viele Unternehmen haben klar erkannt, dass Diversity für sie essenziell wichtig ist. Das hat neben einem gesellschaftlichen und privaten Verständnis auch oft mit den Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes zu tun. Wir haben eine klare Gesetzgebung und einen extremen Fachkräftemangel. Somit müssen Unternehmen für verschiedene Menschen attraktiver sein.

Diversity wird mehr und mehr auch ein Argument für Arbeitssuchende, sich für ein bestimmtes Unternehmen zu entscheiden. Zudem werden beispielsweise börsennotierte Unternehmen auch von Anleger:innen unter Druck gesetzt, Diversity zu leben, denn es ist bekannt, dass diverse Unternehmen erfolgreicher sind. Und welche:r Anleger:in möchte nicht in ein erfolgreiches Unternehmen investieren?

Ich bewerte die Entwicklung der Berliner Unternehmen insgesamt sehr positiv – auch wenn wir immer zwischen einer Stadt wie Berlin und ländlichem Raum unterscheiden müssen. Dort gibt es sicherlich noch mehr zu tun als hier.

Wie erkenne ich ein diverses Unternehmen?

Schauen Sie sich die Geschäftsberichte, die Websites und die Sozialen Medien der Unternehmen an! Oder gehen Sie in einen direkten Dialog! Entscheidend ist, wie durchlässig ein Unternehmen ist. Setzt sich Diversity wirklich durch? Werfen Sie einen Blick auf die Zusammensetzung der Führungsebenen, ob diese divers sind. Die Führungsebenen sind ein Spiegel der betriebsinternen Vielfalt.

Wer sind die Berliner Top-Unternehmen im Bereich Diversity?

Unter anderem die Berliner Wasserbetriebe, die Berliner Verkehrsbetriebe und die Deutsche Bahn.

Gibt es aktuelle Trends im Bereich Diversity?

Ja, ganz klar der Fachkräftemangel. Hier werden Unternehmen herausgefordert, komplett neue Zielgruppen anzusprechen – für viele ein schwieriger Schritt. Die Zeiten, in denen Jobs an klar strukturierte Bewerber:innen-Profile vergeben werden, sind vorbei. Personaler:innen müssen umdenken, wo sie Bewerber:innen finden und vor allem wen sie suchen. Abseits von Studium und Ausbildung kommen heutzutage beispielsweise mehr Quereinsteiger:innen infrage. Da verändert sich viel.

Was rätst du einem Unternehmen, im Bereich Diversity zu tun?

Vermeiden Sie Aktionismus! Stellen Sie sich lieber die Frage: Wo stehe ich und wo will ich hin? Diversity ist eine unternehmensstrategische Aufgabe. Achten Sie darauf, in strategische Entscheidungen diverse Menschen zu involvieren. Nur so kann das Thema ein Erfolg werden.

Was können Fachkräfte tun, um Diversity in ihrem Unternehmen zu fördern?

Bilden Sie eine Community (z. B. ein Frauennetzwerk oder ein Netzwerk im Bereich LGBTQ+), suchen Sie sich Allies (Verbündete) und üben Sie Druck auf den Vorstand aus! Die größten Herausforderungen liegen meist im mittleren Management, deshalb ist es ein guter Rat, als Fachkraft den direkten Kontakt mit dem Top-Management aufzunehmen. Netzwerken Sie mit diesem und fordern Sie auch finanzielle Mittel zur Unterstützung Ihrer Netzwerke!

Vielen Dank, Barbara.