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- 1. Überblick
- 2. Erste Schritte nach der Kündigung oder Freistellung
- 3. Arbeitsrechtliche Grundlagen und Varianten
- 4. Anspruch auf Arbeitslosengeld I
- 5. Unterschiede nach Staatsangehörigkeit
- 6. Pflichten nach der Meldung
- 7. Sonderfälle
- 8. Arbeitsuchende ohne ALG-Bezug
- 9. Checkliste: Erste Schritte nach dem Jobverlust
- 10. Weiterführende Ressourcen
Je nach Situation kann einem ein Jobverlust – gerade, wenn er nicht vorhersehbar war – den Boden unter den Füßen wegreißen. Alle Emotionen auf dem Spektrum von Trauer, Furcht und Wut haben in dieser Situation ihren Platz und dürfen empfunden werden – verlieren Sie sich aber nicht zu sehr darin. Möglicherweise fühlen Sie aber auch Erleichterung und Hoffnung – zum Beispiel, wenn Sie selbst schon länger mit Ihrem bisherigen Job unzufrieden waren, Karriereentscheidungen bereut haben oder sich insgeheim eine neue Perspektive wünschen. Ein Jobverlust und damit auch die Suche nach einer neuen Beschäftigung kann immer auch eine Chance und eine Option auf eine Verbesserung darstellen. Das ist auch genau der Fokus, mit dem Sie in die Jobsuche starten sollten.
1. Überblick
Der Verlust des Arbeitsplatzes - sei es durch Kündigung, Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag oder während der Probezeit – ist nicht nur eine emotionale
Belastung, sondern auch eine rechtlich und organisatorisch komplexe Situation. In Deutschland ist der soziale Schutz durch das Sozialgesetzbuch III (SGB III) geregelt, insbesondere durch die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA).

2. Erste Schritte nach der Kündigung oder Freistellung
2.1 Arbeitsuchendmeldung (spätestens drei Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses)
Sobald Sie von der Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses erfahren, müssen Sie sich arbeitsuchend melden - spätestens drei Monate vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses (§ 38 SGB III).
Erfahren Sie davon kurzfristiger, gilt eine Frist von drei Tagen.
Meldemöglichkeiten:
- Online über www.arbeitsagentur.de/eservices
- Persönlich oder telefonisch bei der zuständigen Agentur für Arbeit
Eine verspätete Meldung führt zu einer Sperrzeit von einer Woche.
2.2 Arbeitslosmeldung (am ersten Tag der Arbeitslosigkeit)
Die Arbeitslosmeldung ist zwingende Voraussetzung für den Leistungsanspruch.
Sie erfolgt:
- spätestens am ersten Tag ohne Beschäftigung,
- persönlich oder online mit dem digitalen Ausweis.
Wird die Meldung an einem Wochenende oder Feiertag fällig, genügt der nächste Werktag.
2.3 Antrag auf Arbeitslosengeld
Der Antrag kann etwa zwei Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit online gestellt werden.
Sie benötigen:
- Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers (elektronisch),
- Nachweise zu Einkommen, Familienstand, Bankverbindung, Steuerklasse,
- ggf. Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.
Die Arbeitsbescheinigung ist ein Pflichtdokument, das der Arbeitgeber für erstellen muss, sobald ein Arbeitsverhältnis endet (§ 312 SGB III). Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die Bescheinigung nach Anforderung auszustellen, die oft elektronisch über das BEA-Verfahren der Bundesagentur für Arbeit übermittelt wird (BEA = Bescheinigungen elektronisch annehmen).
Sie enthält alle relevanten Daten, die die Agentur für Arbeit braucht, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu berechnen — insbesondere:
- Beschäftigungsdauer
- Grund der Beendigung (Kündigung, Aufhebungsvertrag, Befristung etc.)
- Höhe des Arbeitsentgelts der letzten 12 Monate
- Urlaubsabgeltung, Sonderzahlungen, Abfindungen
- Angaben zu Krankheit, Elternzeit oder Freistellungen
3. Arbeitsrechtliche Grundlagen und Varianten
| Situation | Besonderheiten | Hinweise |
| Ordentliche Kündigung durch Arbeitgeber | Fristen gem. § 622 BGB. Anspruch auf ALG I, wenn sonstige Voraussetzungen erfüllt. | Kündigungsschutzklage binnen 3 Wochen prüfen. |
| Kündigung in der Probezeit | Kürzere Kündigungsfristen, aber gleiche Meldepflichten. | Keine Sonderregelung beim ALG. |
| Eigenkündigung | Führt in der Regel zu einer Sperrzeit von 12 Wochen, außer es liegt ein wichtiger Grund vor (z. B. Mobbing, Gesundheitsgefahr). | Vorher Rücksprache mit der Agentur für Arbeit. |
| Aufhebungsvertrag | Wird meist wie Eigenkündigung behandelt. | Möglichst vorher rechtliche Beratung einholen, um Sperrzeit zu vermeiden. |
| Freistellung mit Gehaltszahlung | Keine Arbeitslosigkeit, solange Gehalt fließt. ALG I erst nach Ende der Zahlung. | Urlaub und Abfindungen können den Leistungsbeginn verschieben. |
4. Anspruch auf Arbeitslosengeld I
4.1 Voraussetzungen
- Mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten 30 Monaten
(„Anwartschaftszeit“). - Arbeitslosmeldung und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt
- Keine Sperrzeit oder Ruhenszeit (z. B. wegen Abfindung oder Krankheit)
4.2 Höhe
Das Arbeitslosengeld beträgt:
- 60 % des pauschalierten Nettoentgelts
- 67 %, wenn mind. ein Kind zu berücksichtigen ist. Berechnungsgrundlage ist das durchschnittliche Bruttogehalt der letzten 12 Monate.
Berechnungsgrundlage
1. Zunächst wird aus Ihren letzten Lohnabrechnungen das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt der letzten 12 Monate ermittelt.
- Grundlage sind die versicherungspflichtigen Bruttolöhne, also das Einkommen, für das Sie Arbeitslosenversicherungsbeiträge gezahlt haben.
- Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld werden anteilig berücksichtigt.
2. Von diesem Bruttobetrag zieht die Bundesagentur für Arbeit pauschal 20 % für Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Pflege- und
Arbeitslosenversicherung) sowie fiktiv die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag ab. Das ergibt ein sogenanntes Leistungsentgelt – ein fiktives monatliches Netto, das als Berechnungsbasis dient.
3. Auf dieses Leistungsentgelt wird anschließend ein Prozentsatz angewendet – der sogenannte Leistungssatz.
Beispielrechnung
| Bruttolohn (durchschnittlich) | 3.000 € |
| Pauschaler Abzug (Sozialabgaben + Steuer) | – 1.000 € |
| Leistungsentgelt (pauschales Netto) | 2.000 € |
| Arbeitslosengeld (60 %) | 1.200 € / Monat |
| Arbeitslosengeld mit Kind (67 %) | 1.340 € / Monat |
Das Arbeitslosengeld wird täglich berechnet und monatlich im Nachhinein ausgezahlt.
Für einen vollen Monat werden 30 Tage angesetzt, unabhängig davon, ob der Monat 28, 30 oder 31 Tage hat. Änderungen der Lohnsteuerklasse oder des Familienstands können den Leistungsbetrag beeinflussen.
Ein Lohnsteuerklassenwechsel wird nur berücksichtigt, wenn er zweckmäßig ist (z.B. zu geringerem gemeinsamen Steuerabzug führt). Während des Leistungsbezugs sind Sie kranken-, pflege-, renten- und unfallversichert; die Beiträge übernimmt die Bundesagentur für Arbeit.
4.3 Dauer
Je nach Beschäftigungszeit und Alter zwischen 6 und 24 Monaten.
5. Unterschiede nach Staatsangehörigkeit
| Kategorie | Anspruch / Zuständigkeit | Besonderheiten |
|---|---|---|
| Deutsche Staatsbürger:innen | Anspruch auf ALG I, wenn Anwartschaftszeit erfüllt ist. | Wohnsitz in Deutschland erforderlich. |
| EU-/EWR-Bürger:innen & Schweizer:innen | Gleichgestellt mit deutschen Arbeitnehmer:innen; Arbeitszeiten aus EU/EWR können angerechnet werden (Bescheinigung U1). | Antrag bei der deutschen BA; evtl. Übertragung von Ansprüchen aus Heimatland. |
| Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel | Anspruch nur, wenn Erwerbstätigkeit erlaubt ist und Aufenthaltstitel gültig bleibt. | Aufenthaltstitel kann nach § 18d AufenthG verlängert werden, wenn Arbeitssuche vorgesehen ist. |

6. Pflichten nach der Meldung
- Termine wahrnehmen und mit der Agentur für Arbeit zusammenarbeiten.
- Eigenbemühungen (z. B. Bewerbungen) dokumentieren.
- Verfügbarkeit sicherstellen – tägliche Erreichbarkeit unter der angegebenen Adresse.
- Ortsabwesenheiten (Urlaub/Reise) vorher genehmigen lassen.
- Veränderungen (z. B. neue Arbeit, Krankheit, Umzug) sofort mitteilen – per Veränderungsmitteilung oder Formular GR 22.
- Krankheit melden – elektronisch abrufbare AU-Bescheinigung oder Nachweis in Papierform (bei Privatversicherung).
7. Sonderfälle
Krankheit während der Arbeitslosigkeit
→ Arbeitslosengeld wird bis zu 6 Wochen weitergezahlt.
→ Danach ggf. Anspruch auf Krankengeld.Nebentätigkeit
→ Erlaubt bis unter 15 Wochenstunden.
→ Freibetrag: 165 € monatlich.
→ Alles darüber hinaus mindert oder beendet den Anspruch.- Abfindungen und Ruhenszeiten
- Abfindungen können den Leistungsbeginn verzögern, wenn Kündigungsfristen nicht eingehalten wurden (§ 158 SGB III). Ein „Ruhenstatbestand“ tritt auch ein, wenn Sie noch Gehalt oder Urlaubsabgeltung erhalten.
8. Arbeitsuchende ohne ALG-Bezug
- Auch ohne Leistungsanspruch können Sie bei der Agentur für Arbeit:
- Beratung, Vermittlung und Stellenangebote nutzen,
- Rentenanrechnungszeiten sichern,
- Weiterbildungen beantragen (z. B. Bildungsgutschein).
Diese Leistungen sind kostenfrei.
9. Checkliste: Erste Schritte nach dem Jobverlust
Sofort nach Erhalt der Kündigung
- Arbeitsuchendmeldung binnen 3 Tagen
- Rechtliche Prüfung der Kündigung (ggf. Anwalt oder Gewerkschaft)
- Unterlagen vom Arbeitgeber sichern (Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen, Zeugnis, Arbeitsbescheinigung)
Bis zum letzten Arbeitstag
- Arbeitslosmeldung vorbereiten
- Antrag auf ALG I online oder vor Ort stellen
- Krankenkasse und Steuerdaten prüfen
Nach Eintritt der Arbeitslosigkeit
- Arbeitslosmeldung (Tag 1)
- Eigenbemühungen dokumentieren (z. B. 2 Bewerbungen pro Woche)
- Termine der Arbeitsagentur wahrnehmen
- Nebentätigkeiten und Veränderungen melden
Optional
- Weiterbildung oder Coaching über die Agentur beantragen
- Antrag auf Bürgergeld, falls ALG I nicht reicht
- Krankenversicherungsschutz prüfen
- Rentenversicherung über gemeldete Zeiten informieren


