Professorin an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (ehemals Fachhochschule): Frau Prof. Dr. Carolyn Tomerius hat es geschafft. Als praktizierende Rechtsanwältin in der freien Wirtschaft hat sie die Seiten zur Wissenschaft gewechselt und unterrichtet heute angehende Polizeibeamten:innen des gehobenen Dienstes und Studierende des Studiengangs Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR). Als Professorin für Öffentliches Recht - insbesondere für Grund- und Menschenrechte sowie Polizeirecht - erzählt sie von ihrem persönlichen Karriereweg und verrät, was es braucht, um einen Ruf als Professorin zu erhalten.
Wie haben Sie Ihren Ruf als Professorin an der HWR erhalten?
Ich habe lange als Rechtsanwältin in Berlin gearbeitet. Mein Schwerpunkt lag von Anfang an auf dem Fachgebiet Öffentliches Recht. Im Jahr 1999 habe ich nebenberuflich die ersten Lehraufträge als Dozentin an der HWR angenommen. Mich hat es schon damals interessiert, juristisches Wissen an Menschen, die eine Laufbahn außerhalb der klassischen Rechtsberufe anstreben, zu vermitteln.
Im Laufe dieser Tätigkeit habe ich gemerkt, dass mir das Lehren noch mehr Spaß macht als meine Tätigkeit als Anwältin. Deshalb habe ich mich im Jahr 2010 als Dozentin selbstständig gemacht. Ich hatte unter anderem Lehraufträge an der Verwaltungsakademie Berlin und auch weiterhin an der HWR. Zudem schien mir dieser Berufsweg als dreifache Mutter besser mit meiner Familie vereinbar als der Karriereweg als Rechtsanwältin.
Als ich die Ausschreibung für eine Gastprofessur an der HWR entdeckte, habe ich mich sofort für diese beworben und wurde angenommen. Einige Zeit später wurde meine heutige Stelle ausgeschrieben, auf die ich mich ebenfalls beworben und das Berufungsverfahren durchlaufen habe. Mit Erfolg! Ich bin sehr glücklich, diesen Weg gegangen zu sein. Meine Stelle wurde übrigens durch das Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre (BCP) gefördert.
Und wie sind Sie zur Wissenschaft im Allgemeinen gekommen?
Ich habe während meiner Promotionszeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in Essen gearbeitet. Dort habe ich das Lehren und das wissenschaftliche Schreiben für mich entdeckt. Seitdem war ich von dem Gedanken begeistert, wissenschaftlich zu arbeiten und eines Tages an einer Hochschule zu unterrichten.
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?
Ich schätze es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht ausschließlich einen juristischen Blickwinkel haben. Das finde ich besonders reizvoll. Zudem bereichert mich die gemeinsame Arbeit mit Kolleg:innen aus anderen Disziplinen und Fachbereichen. Dieser Mix ist spannend. Ich empfinde meine Arbeit als Professorin als sehr vielfältig. In meinem Beruf bleibe ich mit jungen Menschen im Kontakt und darf sie auf ihrem Bildungsweg begleiten. Das macht mir Freude.
Warum haben Sie sich für Berlin als Lebensmittelpunkt entschieden?
Ich bin im Jahr 1995 nach Berlin gekommen, um hier mein Referendariat zu machen und geblieben. Berlin war für mich immer mit einem positiven Lebensgefühl verbunden. Meine Mutter kommt aus Berlin, meine Eltern haben sich hier kennengelernt und meine Großeltern haben auch lange hier gelebt.
Für mich als Person, die am öffentlichen Recht im Allgemeinen und im Verfassungsrecht im Besonderen interessiert ist, ist es einfach spannend, in der Hauptstadt zu leben. In Berlin werden alle relevanten politischen Leitentscheidungen und somit auch oft die relevanten verfassungsrechtlichen Fragen entschieden. Zudem sind meine drei Kinder in Berlin geboren. Alles Gründe, diese Stadt zu lieben!
Wie vereinen Sie Familie und Beruf?
Zugegeben, meine Anfangsjahre als Anwältin und Mutter waren sehr herausfordernd. Ich hätte mir damals die Unterstützung gewünscht, die ich heute als verbeamtete Professorin des Landes Berlin bekomme.
Ich hatte, seit ich an der Hochschule war, immer eine Stelle in Vollzeit und habe mir dann teilweise zu Hause Unterstützung gesucht. Ich musste sehr effizient in allem sein, habe viel abends gearbeitet oder mich mit meinen Freundinnen so organisiert, dass eine mal die Kinder der anderen betreut. Grundsätzlich kann ich sagen, dass eine Karriere wie meine natürlich eine Bereitschaft fordert, die eigenen Interessen außerhalb des Berufes für eine Zeit zurückzustellen.
Als Professorin an einer Hochschule können Sie auf Antrag, wenn Sie Kinder haben oder Angehörige pflegen, Stunden reduzieren oder sich bis zu 12 Jahren beurlauben lassen. Zudem achtet zumindest die Verwaltung meiner Hochschule darauf, dass sich die Zeiten der Lehrveranstaltungen mit den Kita- und Hortzeiten der Kinder vereinbaren lassen. Ich musste zum Beispiel fast nie fünf volle Tage in der Hochschule sein. Auch für Studierende, die Eltern sind, wird übrigens viel getan. Bei uns im Fachbereich gibt es spezielle Elternklassen und tolle Betreuungsaktionen in den Schulferien.
Welchen Tipp haben Sie für Frauen, die eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften anstreben?
Kümmern Sie sich rechtzeitig um Lehraufträge und planen Sie Ihre Karriere strategisch! Um eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften zu erreichen, brauchen Sie Folgendes:
- Lehrerfahrung
- Pädagogische Eignung
- Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung durch Veröffentlichungen
- Fünf Jahre Praxiserfahrung in Ihrem Beruf (davon drei außerhalb der Hochschule)
- Promotion (Doktortitel mit bestimmter Note (kann nach der zu besetzenden Stelle variieren))
Im Gegensatz zu einer Professur an einer Universität brauchen Sie keine Habilitation. Das erleichtert den Weg. Nehmen Sie gern die diversen Unterstützungsprogramme wie beispielsweise die gemeinsame Veranstaltung der HWR, der Beuth Hochschule für Technik und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) „Berufsperspektive Professorin“ an! Hier werden all Ihre Fragen zur Bewerbung auf eine Professur beantwortet. Alternativ können Sie sich beim deutschen Hochschulverband erkundigen. Ich ermutige Sie auf jeden Fall, diesen Weg zu gehen. Es gibt beste Chancen für Frauen, eingestellt zu werden. Ihr Karriereweg wird rundum gefördert. Es lohnt sich.